Ich liebe
Malerei.
EIN INTERVIEW MIT KARL PFEFFERLE.
Interview: 2030 / Paul Wagner
Im Sommer 2018. Karl Pfefferle empfängt uns in seinen Galerieräumen in der Reichenbachstraße. Es hängen gerade Werke von Jan van Imschoot, einem belgischen Maler. Besonders heraus sticht das großformatige Bild "Canonisation of the milky way" von 2009, auf dem ein Papst mit grellweißen, ausgekratzten Augen mit sich selbst als Leichnam im Sarg konfrontiert wird. Surreal und faszinierend ist das und zeigt, welche starken Gefühle Malerei beim Betrachter hervorrufen kann. Wie auch die Werke von David Lynch, den Karl Pfefferle seit 2009 vertritt. Der weltbekannte Filmemacher ist für Pfefferle ein erstklassiger Maler und Fotograf. "Smiling Jack" hieß die Lynch-Ausstellung, die Pfefferle bis November 2017 zeigte.
Karl Pfefferle / Foto: Daniel Breidt
Wie kam es, dass Sie sich so vollkommen der Malerei gewidmet haben?
Im Grunde ist mir das in die Wiege gelegt worden. Mein Urgroßvater war Vergolder und Fassmaler in Tirol. Dort gab es im 19. Jahrhundert mehr Vergolder und Fassmaler, als es Arbeit gab, und so kam er nach München. Ende des 19. Jahrhunderts gab es hier rege Bautätigkeit, große Kirchen wurden errichtet, etwa die Benno-Kirche, der Heilig-Kreuz-Dom, da gab es Arbeit für ihn. Er und dann auch sein Sohn, mein Großvater, haben sich auf den Nachbau historischer Bilderrahmen spezialisiert. Bilderrahmen sind etwas sehr ephemeres, weil jeder Besitzer die Rahmen seiner Bilder schon mal austauscht, vielleicht, um seinen Besitzanspruch zu dokumentieren. Aus diesen weggekommenen Rahmen hat mein Großvater eine Sammlung aufgebaut, die heute noch als Musterbuch dient. Damit man nicht eine Kopie von der Kopie der Kopie machen muss, sondern das Original im Blick hat. Nachdem ich diesen Betrieb auch vierzig Jahre geleitet habe, bin ich natürlich mit sehr vielen nicht schlechten Bildern in Berührung gekommen. Es kamen Kunden, die immer ein besonderes Augenmerk auf den Zusammenhang zwischen Rahmen und Bild gelegt haben oder Sammler, die ein gutes Auge hatten. So bin ich mit Bildern schon von Kind auf und dann als Inhaber der Rahmenwerkstatt immer in Berührung gekommen.
Wie kam dann der Übergang zur modernen Kunst?
Mich hat es im Lauf der Zeit gestört, dass ich nur in diesen historischen Kategorien denken musste. Ich tat das zwar nicht ungern, aber es war einseitig, ein wenig verstaubt, wie im Museum. Das, was zeitgenössisch produziert wurde, kam da nicht vor oder nur am Rande. Für Baselitz habe ich ganz früh Rahmen gemacht und für das Haus der Kunst, das waren erste Berührungspunkte. Es gab es auch Sammler, die sowohl alte als auch zeitgenössische Kunst gesammelt haben. 1981 gab es dann in einer Fabrik in der Lothringer Straße eine Ausstellung, die nannte sich "Rundschau Deutschland" und war von Künstlern selbst organisiert. Das war ein Schlüsselerlebnis, dass da etwas ganz Lebendiges entstand, was in meinen Augen aber auch sehr stark zu tun hatte mit alter Kunst, mit diesen ganzen Anspielungen. 1983 gründete ich meine Galerie, und ich habe tatsächlich die Brücke schlagen können und diese beiden Firmen, die Rahmenwerkstatt und die Galerie, fünfunddreißig Jahre gleichzeitig geführt, bewusst örtlich deutlich getrennt.
Haben Sie es nicht in Erwägung gezogen, selbst Kunst zu machen?
Merkwürdigerweise nie. Eine aktive Berufssuche hat sich bei mir ohnehin nicht ergeben, dadurch, dass ich das Rahmengeschäft nach dem Abitur übernehmen musste. Insofern …
Was hat Sie an "Rundschau Deutschland" und den dortigen Künstlern so fasziniert?
Das Schlagwort lautete "Junge Wilde". Es gab plötzlich wieder so unmittelbare, direkte Umsetzungen. Die Zeit vorher war sehr trocken, zur Minimal Art hin führte für mich in meiner Entwicklung kein Weg. Ich habe das eher belächelt, dass man Anweisungen brauchte, um ein Kunstwerk zu verstehen oder dass ein Kunstwerk nur entsteht in der Imagination desjenigen, der davor steht, wie bei der Konzeptkunst. Das war mir einfach fremd. Bei den Jungen Wilden ist mit Farbe gekleckst worden, das war kraftvoll.
War das ein rebellischer Impetus bei Ihnen, das gut zu finden?
Ja, das würde ich schon sagen. Durch das Fortführen meines Traditionsunternehmens war ich natürlich immer brav nach außen. Ich habe allerdings auch in einer Jazzband Kornett gespielt, was man so vielleicht auch nicht gedacht hätte. Das war im Jazzkeller in der Türkenstraße.
Gibt es Berührungspunkte zwischen Jazz und der Kunst der Neuen Wilden?
Sicher. Die Lebendigkeit und die Improvisation. Mich hat dann eine Zeit lang auch sehr die informelle Kunst interessiert. Von Karl Otto Götz habe ich auch ein Bild erworben, Fritz Winter habe ich sehr geschätzt. Das war natürlich sehr viel dezenter als das, was die Jungen Wilden dann gemacht haben, die haben ja wieder richtiggehend figurativ gearbeitet. Aber auch freier als vieles andere aus der Zeit. Richtig Feuer gefangen habe ich nach der besagten Ausstellung 1981. Die ersten Anlaufpunkte waren für mich die beiden Künstler, die diese Ausstellung organisierten, das waren Troels Wörsel und Stefan Szczesny. Dann ging es stark nach Köln, die Stadt war damals mit Berlin das Zentrum dieser jungen Bewegung. Ich habe dort alle Ateliers besucht. Nach zwei Jahren war klar, ich eröffne eine Galerie. Ich habe dann ganz naiv Räume in der Maximilianstraße gesucht, das war damals das Galerienviertel, und 1983 ging es los mit einer Gruppenausstellung mit zehn Künstlern, die ich interessant fand.
Was war das für ein Verhältnis zwischen Ihnen und den Künstlern?
Die haben sich natürlich schon etwas versprochen und gehofft, dass etwas draus wird, auch ein Geschäft. Es war eine Mischung aus verstanden werden und die Möglichkeit zu bekommen, Werke einer Öffentlichkeit präsentieren zu können. Es stand unausgesprochen im Raum, dass ich diese Künstler auch entwickeln möchte. Bernd Zimmer oder Dokoupil sind seit dieser Eröffnungsausstellung bei mir.
Haben Sie Vorbilder unter den Galeristen?
Michael Werner in Köln und hier in München Fred Jahn, ihn schätze ich wirklich sehr. Er ist jetzt in die Räume seines Sohnes Matthias Jahn in der Baaderstraße gezogen, unsere Galerien befinden sich sozusagen Rücken an Rücken. Wenn Sie dort eine Ausstellung anschauen, dann ist es alleroberste Qualität. Die Hängung, die Auswahl. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Sieht einfach überzeugend aus.
Sie genießen natürlich auch einen außerordentlich guten Ruf. Liegt das an Ihrer Konzentration auf die Malerei?
Ja. Es gibt aber schon auch Schlenker zur Fotografie, dort wo Maler auch fotografieren. Rainer Fetting hat zum Beispiel auch ein fotografisches Werk, das ich präsentiert habe. Oder William Eggleston, den ich für eine ganz besondere Erscheinung in der Fotografie halte. Er hat im Grunde die Farbfotografie als museumswürdig durchgesetzt. Dann bin ich auf David Lynch gestoßen. In der Zeit seiner großen Ausstellung in Paris bin ich ihm in der Druckwerkstatt für Lithografie Idem begegnet. Der Eigentümer lädt immer wieder bekannte Künstler dazu ein, bei ihm Lithographien zu erstellen, so sind Lynch und ich uns begegnet. Da habe ich verstanden, dass er eigentlich Maler ist. Er ist fast durch Zufall zum Film gekommen, durchs Experimentieren mit Projektionen. Als Filmemacher ist er ein internationaler Star und in der Malerei steht ihm das auch zu, und da kommen wir auch gerade ein Stück weiter.
Was verbindet Sie mit David Lynch?
Er ist ein ganz toller Mensch, und dann natürlich die Arbeit! Bei ihm gibt es sehr viele für mich interessante Bezugspunkte, zum Beispiel Max Ernst und diese surrealistische Ebene, das sieht man ja in seinen Filmen, wo Sachen entstehen, die es nicht gibt. Dann fasziniert ihn auch sehr Francis Bacon, das Spiel mit der Verzerrung. Malerisch ist Lynch total experimentierfreudig, da gibt es unglaubliche Bilder, Aquarelle und Zeichnungen.
Wann hat ein Künstler es verdient, dass man sagt: "Das ist ein Maler!"?
Ich glaube, dass der wesentliche Punkt ist, dass ein Künstler die Malerei schätzt und auch frühere Maler schätzen kann. Das ist, glaube ich, ein wichtiges Merkmal. Dass er in einer Tradition steht. Ein Beispiel: Mein Künstler Peter Schuyff, der Neo-Geo mitentwickelt hat und sehr geometrische, verzerrte und nach Fantasie verdrehte Muster malt, verbringt, wenn er in München ist, ganze Tage in der Alten Pinakothek. Wenn er jemanden treffen will, bestellt er ihn dahin. Wenn man Schuyffs Werk kennt, kann man sich gar nicht vorstellen, dass er so verbunden ist mit dieser alten Kunst, speziell der Renaissance.
Als jemand, der sein ganzes Leben in den Dienst der Malerei gestellt hat, würde mich interessieren, was für eine Meinung Sie von Design haben?
Zunehmend eine Hochachtung. Ich würde sagen, in meinen frühen Jahren hätte ich es eher mit dem Ornamentieren von Gegenständen verbunden aber wenn ich mir bestimmte Arbeiten anschaue, auch die Sessel von Dieter Rams, auf denen wir sitzen, und die ich mir schon früh angeschafft habe, ist Design schon sehr prägend in unserem Alltag. Aber mit der Frage der Ebenbürtigkeit zwischen Kunst und Design, da tue ich mir schwer. Wenn es angewandt ist, ist es einfach angewandt. Dann dient es einem Zweck, Malerei ist zweckfrei. Insofern ist da immer eine Diskrepanz. Design ernstnehmen und schätzen, das kann ich aber sehr wohl.
Vielen Dank für Ihre Zeit.
Karl Pfefferle / Foto: Daniel Breidt
Dieses Interview ist eine Hommage an den großen Karl Pfefferle, der wenige Monate nach diesem Gespräch verstarb.