Wer Laden und Werkstatt von Patrik und Bele Muff in der Münchener Ledererstraße betritt, wähnt sich im Handumdrehen in einem Naturkundemuseum des 19. Jahrhunderts. Man ist umgeben von detailreich arrangierten Schaukästen voller erstaunlicher Exponate. Käfer, Tierschädel, dazwischen Sakrales und merkwürdige Fundstücke aller Art. Die Objekte wechseln sich ab mit dem markanten Schmuck, der im Atelier Muff in solider, traditioneller Handarbeit hergestellt wird. Muffs Stil ist unverwechselbar, die Stücke aus hochwertigen Materialien strahlen punkige Kraft und ornamentale Pracht aus. Jedes ist ein Statement für sich, alle zusammen bilden sie die fantastische Welt von Patrik Muff. Zu ihr gehören auch individualisierte Einzelstücke und Editionen für Partner wie die Königliche Porzellan Manufaktur Nymphenburg oder Birkenstock. Für letztere gestaltete Muff jüngst Luxussandalen mit Schnallen aus Sterling Silber in maritimer Optik.
Patrick und Bele Muff / Foto:
Patrik, du hast an der Fachhochschule Köln freie Kunst beim Kunstprofessor und revolutionären Schmuckmacher Peter Skubic studiert. Warum musste es freie Kunst sein? Das ist doch eher ungewöhnlich für den Schmuckbereich?
(Patrik) An der Kunst hat mich die Freiheit gereizt. Das sich an nichts gebunden fühlen zu müssen. Die Kunst ist der Bereich, in dem du alles machen darfst. So wie Künstler wie Jonathan Messe es tun: einfach keine Konventionen mehr beachten. Das habe ich dann auf den Schmuck übertragen. Aber natürlich musste ich auch den Mittelweg finden zwischen Kunst und Design, zwischen völliger Freiheit und Funktion. Schmuck muss einfach funktionieren, ohne Funktion geht es für mich nicht. Das ist immer wieder die große Herausforderung. Wenn mich jemand fragt, was ich mache, ist meine Antwort simpel: ich bin einfach Goldschmied. Ich habe mich immer sehr aus dem Handwerklichen kommend gesehen. Das Handwerk ist für mich eindeutig die Basis meiner Arbeit. Die Freiheit der Kunst kommt dann noch dazu.
Welche Rolle spielte die Kunst jenseits des Schmucks bei dir?
(Patrik) Eine sehr große. Ich hatte mit zwei anderen eine Kneipe in Köln, die hieß Königswasser, und wir hatten viele der wichtigsten deutschen Künstler dieser Zeit als Gäste. Köln war damals so etwas wie die Hauptstadt der Kunst in Deutschland, zumindest bis die Mauer fiel und alle nach Berlin zogen. Die jungen Wilden, besonders Martin Kippenberger, die Künstler der Mülheimer Freiheit, A.R. Penck, Cosima von Bonin und viele andere fielen bei uns regelmäßig ein und waren unsere Stammgäste. Und natürlich auch die ganzen Galeristen.
Wie hast du die alle erlebt?
(Patrik) Genau so wie man sich Künstler vorstellt: An den Tresen pinkeln, Revier abstecken, das war in Köln damals tatsächlich so üblich. Die waren alle wahnsinnig schräg … Das Kneipenkonzept war übrigens sehr puristisch und sehr punkig. Es gab keine Innenausstattung bis auf ein Aquarium, zu essen gab es nichts außer Erdnüssen. Es wurde einfach viel getrunken. Das war eine sehr wilde Zeit. Nebenher habe ich studiert, dazu noch eine Schmuckgalerie geführt.
Wie kommt man dann als Schweizer über Köln nach München?
(Patrik) Das war eine lustige Geschichte. Ich machte mich nach sieben, acht Jahren Köln auf eine Weltreise. Ich verkaufte alles, packte den Rest, samt kleiner Goldschmiedewerkstatt, in meinen VW-Bus und fuhr los. Nach einem Schlenker über Holland, kam ich nach München, um noch einen Freund zu besuchen – und dann bin ich hier hängen geblieben.
Fotos: Christian Brecheis
Fotos: Studio Mierswa-Kluska,
Das war die Weltreise?
(Patrik) Das war die Weltreise.
Und dann?
(Patrik) Dann hat Renate Schrems meinen Schmuck in ihrem Geschäft "Sévigné" geführt. Das war toll, weil ich gut verkaufen konnte und der Schmuck dadurch direkt im oberen Preissegment in München positioniert wurde. Der nächste Schritt war der eigene Laden mit Bele zusammen.
Bele, wie war das damals? Wie hat sich das alles ergeben?
(Bele) Wir lernten uns kennen, und ich wurde erst mal schwanger (lacht). Dann war ich ein volles Jahr in Patriks Werkstatt, erst schwanger, dann mit Baby und habe mir Zeit gegeben zu prüfen, ob das, was ich ins Atelier einbringen kann, so lukrativ ist, dass ich nicht wieder in meinen ursprünglichen Beruf als Kommunikations-Designerin zurückkehren muss. Es hat sich schnell herauskristallisiert, dass es funktioniert.
(Patrik) Dass es hervorragend funktioniert!
(Bele) Ich entwickle seitdem die Kommunikation fürs Atelier Muff, gestalte die Kataloge, kümmere mich um Presse, die Fotografie, das Marketing und den Verkauf. Bereiche, in denen ich zuvor schon gearbeitet habe.
Klingt nach einem perfect match zwischen Euch beiden …
(Bele) Hört sich klischeehaft an, es ist aber tatsächlich so. Unsere Berufe passen einfach gut zusammen. Viele befreundete Künstler und Designer sagen häufig, sie hätten gerne einen Partner wie mich. Einfach, weil es eben schwierig ist, sich selbst zu verkaufen. Als Partner bin ich auch Fan davon, was Patrik macht und kann ganz anders dafür werben. Und bei Patrik herrschte zudem das pure Chaos…
(Patrik) Als Jenny Holzer wegen eines Projekts anrief, wollte ich mich erst drücken, weil sie englisch sprach. So etwas passiert heute mit Bele natürlich nicht mehr …
Ihr wachst, werdet bekannter, große Firmen kommen auf Euch zu. Wie organisiert ihr das?
(Bele) Wir schauen, dass wir trotz Wachstum klein bleiben, klein im Sinne von nicht weltweit expandieren. Unser Motto ist: If you go to munich, bring me something from Muff. Wir glauben daran, dass man mit einem guten Laden einer Stadt etwas geben kann, das sie besonders macht. Uns findet man nicht in New York, Tokyo, Moskau, trotzdem bestellen die Leute weltweit bei uns, weil sie uns in München entdeckt haben. Wir konzentrieren uns auf unseren Laden und haben den Vertrieb über andere Schmuckgalerien ganz zurückgefahren, weil wir gemerkt haben, dass das nicht das ist, was wir machen wollen. Wir wollen, dass man in unsere Muff- Welt kommt, wenn man den Schmuck kauft. Wir wollen den Schmuck authentisch präsentieren. Wir wollen nicht in irgendeiner Vitrine neben anderem Schmuck liegen. Es ist eine ganz bewusste Entscheidung, dass wir unseren Kunden sagen, Ihr müsst hierher nach München kommen, wenn Ihr Muff-Schmuck kaufen wollt.
Fotos: Bele Muff
Fotos: Bele Muff
Was ist die Essenz dieser Muff-Welt?
(Bele) Die Muff-Welt ist authentisch, handwerklich, kraftvoll, massiv und meist schwer verziert. Wir bieten Schmuck für Individualisten, hier findet jeder sein Stück, mit dem er seine eigene Persönlichkeit unterstreichen kann.
(Patrik) Schmuck trägt man auf der Haut, viel näher geht es nicht mehr. Denkt man etwa an Rockbands: Wenn die in Tokyo ein Konzert geben, dann können sie Ihr Auto nicht mitnehmen, ihre Ringe aber schon - und ihre Gitarre. Wir sind mit unserem Schmuck schlussendlich total nah an den Leuten dran. Ab dem Moment, wenn er verkauft ist, sucht sich der Schmuck seinen eigenen Weg.
Euer Schmuck dient als Ausdruck von Personality. Wie fühlt sich das an, wenn Ihr irgendwo jemanden seht, der Muff-Schmuck trägt?
(Bele) Das sind jedes Mal echte Glücksmomente, wenn man bemerkt: Der Typ hat jetzt genau das Stück gefunden, wonach er vielleicht gar nicht gesucht hat, womit er sich aber sofort identifiziert, das seine Persönlichkeit zum Ausdruck bringt. Das hat etwas Magisches, wenn man aus hunderten Stücken das eine zieht, das dann einfach passt.
(Patrik) Sich zu schmücken ist die älteste Art von Kultur, etwas, das alle Menschen und alle Ethnien miteinander verbindet. Das ist niemals nur etwas Oberflächliches. Einer, der einen Totenkopfring trägt, signalisiert: Ich bin stark, ich bin kräftig, mir macht der Tod keine Angst.
In welchen Auflagen werden Eure Serien hergestellt?
(Bele) Wir stellen unsere Stücke in kleinen Serien her, und jedes Stück wird hier im Atelier handgefertigt. Dann gibt es Stücke, die wir individualisieren, bei denen man etwas Persönliches von sich mit einbringen kann, zum Beispiel Siegelringe mit Initialen oder Familienwappen, und dann gibt es noch die Königsdisziplin, die Einzelanfertigungen.
Steigt der Wunsch nach Individualisierung?
(Bele) Absolut. Ich denke, das ist die automatische Gegenbewegung zur Globalisierung und Industrialisierung. Die Menschen wollen gesehen werden, nicht untergehen in der Masse. In einer Welt, in der alles so global vernetzt ist und so vieles per Knopfdruck erreichbar, schätzt man wieder den persönlichen Kontakt, dass man weiß, woher etwas kommt, dass man sich selbst einbringen kann. Und vor allem etwas hat, was andere nicht haben. Das ist die Rückbesinnung auf das Besondere.
Danke für das Gespräch.
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